Unverhofft kommt oft
Eigentlich war ich 2022 auf dem Hockenheimring, um das IDM-Finale für das Team Rubin zu fotografieren. Doch manchmal schreibt das Leben die besten Geschichten – und diese begann im Waschraum beim Zähneputzen.
Dort lernte ich Philipp kennen. Wir kamen ins Gespräch, und er erzählte mir, dass er gar nicht für das IDM-Finale hier war, sondern wegen eines Driftevents. Er fuhr für das Team Welded Crew. Ich wurde sofort neugierig, denn davon hatte ich im Vorfeld nichts mitbekommen. Driften hat mich schon immer fasziniert – die Kombination aus Geschwindigkeit, Präzision und dem spektakulären Anblick von querstehenden Autos ist einfach mitreißend. Philipp fragte mich, ob ich am nächsten Tag mal vorbeischauen wollte. Ich konnte nichts versprechen, da ich nicht wusste, wie viel Zeit ich zwischen den Rennen des IDM-Finales haben würde. Aber die Idee ließ mich nicht los.

Am nächsten Tag ergab sich tatsächlich eine Gelegenheit, und ich machte mich auf den Weg zur Drift-Area. Schon von Weitem hörte ich das unverkennbare Röhren der Motoren und das Quietschen der Reifen. Ein kurzer Blick genügte, um zu erkennen, dass hier eine völlig andere Atmosphäre herrschte als im Fahrerlager der IDM. Wo es dort um Rundenzeiten und Präzision auf der Strecke ging, regierte hier der Spaß am spektakulären Fahren. Ich machte einige Fotos, beobachtete die Fahrer und staunte über die Fahrzeuge – vom klassischen BMW bis hin zu wild umgebauten Drift-Maschinen war alles vertreten.
In der Box traf ich dann wieder auf Philipp. Nach einem kurzen Gespräch kam die Überraschung: Er lud mich auf eine Mitfahrt ein. Was für ein Geburtstagsgeschenk! Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, an diesem Wochenende in einem Drift-Fahrzeug über die Strecke geschleudert zu werden. Ich nahm natürlich dankend an – so eine Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen.
Der Moment, als ich mich in das Auto setzte, den Helm aufsetzte und die Gurte festzog, war bereits aufregend. Dann startete Philipp den Motor, und das Driften begann. Das Auto wurde mit einer unglaublichen Präzision über den Asphalt gezirkelt, und ich spürte die Fliehkräfte, als wir von einer Kurve in die nächste drifteten. Es war eine völlig andere Erfahrung als das, was ich von normalen Rennstrecken kannte. Hier ging es nicht darum, die Ideallinie perfekt zu treffen, sondern das Auto bewusst querzustellen und zu kontrollieren, was eigentlich nach Chaos aussieht.


Philipp erklärte mir, dass das Event unter bestimmten Auflagen stattfand. Eine davon war, dass auf nasser Strecke gefahren wurde, um die Rauchentwicklung durch die durchdrehenden Reifen zu reduzieren. Einerseits schade, weil der typische Drift-Qualm natürlich zur Atmosphäre gehört, andererseits nachvollziehbar, um Umweltbelastungen und übermäßigen Reifenabrieb zu vermeiden.
Nach meiner Mitfahrt hatte ich noch Zeit, mir die anderen Autos genauer anzusehen. Ich war beeindruckt von der Vielfalt der Fahrzeuge und den individuellen Setups, die jeder Fahrer mitbrachte. Drift-Autos sind in vielerlei Hinsicht Kunstwerke – sowohl in technischer als auch in optischer Hinsicht. Manche waren schlicht gehalten, andere mit wilden Lackierungen, riesigen Heckflügeln oder ausgefallenen Felgen ausgestattet. Hier zählte nicht nur Leistung, sondern auch der Stil.
Was mich besonders faszinierte, war der Enthusiasmus der Drift-Community. Jeder half jedem, es wurde geschraubt, gelacht und Erfahrungen ausgetauscht. Es war eine völlig andere Dynamik als bei klassischen Motorsportveranstaltungen, wo oft ein harter Wettbewerbsgedanke im Vordergrund steht. Hier ging es darum, gemeinsam Spaß zu haben, das eigene Fahrkönnen zu verbessern und spektakuläre Drifts auf die Strecke zu zaubern.
Der Tag verging wie im Flug, und als ich am Abend zurück ins Hotel fuhr, konnte ich es kaum glauben, wie unerwartet dieses Wochenende verlaufen war. Eigentlich war ich nur für das IDM-Finale angereist, doch dank einer zufälligen Begegnung wurde ich in die Welt des Driftens hineingezogen.
Dieses Erlebnis hat mich nachhaltig beeindruckt. Es zeigt, dass man manchmal einfach offen für neue Dinge sein muss – und dass die besten Geschichten oft die sind, die man nicht geplant hat.
Rückblickend bin ich froh, Philipp im Waschraum getroffen zu haben. Es war nicht nur ein großartiger Tag voller Adrenalin, sondern auch eine wertvolle Erfahrung, die mir die Faszination des Driftens noch nähergebracht hat. Und wer weiß – vielleicht werde ich in Zukunft öfter mal bei solchen Events vorbeischauen. Denn eines ist sicher: Driften ist eine Kunst für sich, und ich bin dankbar, ein kleines Stück davon miterlebt zu haben.